FDP kritisiert Gutsherrenart im Kreishaus

Verwunderung über Ausschluss der Politik und Selbstverständnis bei der Pandemiebekämpfung

Die FDP Fraktion im Rheinisch Bergischen Kreis fragte beim Landrat nach der beabsichtigten Verfahrensweise, wie im Falle einer dreitägigen Überschreitung der 100er Inzidenz zu verfahren sei. Der Rheinisch Bergische Kreis verfügt über ein notwendiges flächendeckendes und ortsnahes Angebot für kostenlose Bürgertestungen. Im Einvernehmen mit dem Gesundheitsministerium könnte man bestimmen, dass statt der Einschränkungen der Corona-Notbremse die Nutzung der entsprechenden Angebote von einem tagesaktuellen bestätigten negativen Ergebnis eines Schnell- oder Selbsttests abhängig ist. Dies lehnt Landrat Stephan Santelmann jedoch kategorisch ab. Man wolle zunächst eine kreisweite Teststrategie mit den Kommunen erarbeiten und umsetzen. „Impfen, systematisch Testen und danach erst bedachte und behutsame Öffnungen in den Blick nehmen“ beschreibt der Landrat seinen Plan in einer Pressemitteilung. Die Notbremse werde bei Überschreiten der 100er Inzidenz erlassen.

Die FDP Kreistagsfraktion kritisiert, dass Kommunen wie Kreistagsmitglieder über solche wichtigen Entscheidungen erst gemeinsam mit der Presse informiert werden. „Dies war bei der geplanten Kreisumlagenerhöhung schon so, und diese Art der Kommunikation führt sich auch bei der Pandemie-Bekämpfung fort“ kritisiert der Vorsitzende der Kreistagsfraktion Dr. Alexander Engel. Wenn man den Landrat beim Wort nehme, könne mit Öffnungen nicht vor Ende des Sommers gerechnet werden, da bis dahin nach dem Versprechen der Kanzlerin jeder erst seine Erstimpfung erhalten haben könne. Denn auch bei den Impfungen laufe derzeit nicht alles rund. Zwar habe man Verständnis dafür, dass nicht jeder Mailnachfrage taggleich geantwortet werden könne, doch die Berichte, dass Antworten des Kreises gänzlich ausblieben, mehrten sich derzeit, so die Freien Demokraten.

Die FDP Kreistagsfraktion und der Rheinisch-Bergische Bundestagsabgeordnete Christian Lindner wollen individuelle Lösungen ermöglichen. Das Angebot, die Politik einzubinden, um Entscheidungen mit solcher Tragweite und massiven Grundrechtseinschränkungen nicht einzelnen Schultern aufzubürden, wurde seitens des Landrates mit dem Hinweis, dass diese Beteiligung nach Auffassung der Kreisverwaltung rechtlich nicht erforderlich sei, zurückgewiesen, berichtet Fraktionsgeschäftsführer Mario Bredow. Das Land habe die Möglichkeit zur Übertragung von Kompetenzen vom Kreistag auf den Kreisausschuss geschaffen. Eine Beteiligung oder Entscheidungsfindung in der Politik sei nach Auffassung der Liberalen problemlos möglich, insbesondere, da sich ein Anstieg auf eine Inzidenz über 100 bereits einige Tage vorher abzeichne. Dass dies von der Verwaltungsführung nicht gewollt sei, kritisieren die Freien Demokraten. Engel betont, dass durch die Festlegung auf den Kurs jegliche verantwortungsvolle Möglichkeit zur Öffnung unterbunden werde. Es könne jetzt nicht darum gehen, alles zuzumachen. Man brauche Maßnahmen zur risikoadaptierten Reaktion auf die Pandemie, so Engel weiter. Die Kommunen seien ebenfalls weder befragt noch beteiligt worden. Bredow weist zudem darauf hin, dass der Kürtener dann eben nach Wipperfürth oder der Overather nach Lindlar fahren werde, wenn der Kreis pauschal die Notbremse ziehe. Außerdem konzentriere sich dann alles wieder in den großen „Lebensmittelgeschäften“.

Der rheinisch-bergische Bundestagsabgeordnete und FDP-Vorsitzende Christian Lindner hält ebenfalls einen pauschalen Lockdown für unnötig.
Tests, FFP2-Masken und die Hygienekonzepte in Handel, Kultur und Gastronomie erlauben öffentliches Leben trotz der Gefahr. Städte wie Tübingen und Rostock sowie einige Modellregionen zeigen, was möglich ist. Auch bei den Impfungen wäre durch Pragmatismus mehr Tempo möglich.

„Wir sollten alle Möglichkeiten nutzen, Gesundheitsschutz bestmöglich mit Freiheit zu verbinden. Denn die sozialen und wirtschaftlichen Schäden des Stillstands sind äußerst ernst zunehmen“, so Lindner.